Abschied und Trauer in der Corona-Krise
Trauer hat viele Gesichter – Einsamkeit, Wut, Verunsicherung, Schock oder Verzweiflung. Der Verlust eines geliebten Menschen stellt eine Zäsur im Leben der Hinterbliebenen dar. Gemeinsame Augenblicke, Pläne und Wünsche enden mit einem Wimpernschlag. Die Corona-Krise hat viele Opfer gefordert – und immer mehr von uns müssen sich der Erfahrung stellen, sich von einem lieben Menschen zu verabschieden.
Kein Platz für Trauer?
Wer einen geliebten Menschen in Zeiten der Pandemie loslassen muss, erlebt einen gänzlich veränderten Umgang mit Abschied und Trauer. Das Bild der in schwarz gehüllten Queen Elisabeth II., die ganz alleine in einer Kapelle sitzend von ihrem Mann Abschied nimmt: Es steht sinnbildlich für eine neue, einsamere Form der Ehrerbietung. Zur Trauerfeier ist nur ein kleiner Personenkreis zugelassen; wer persönlich Abschied nehmen will, muss Abstand zu den Mittrauernden halten. Umarmungen, Küsse und sogar das Händeschütteln müssen unterbleiben, um einer weiteren Ausbreitung des Virus Einhalt zu gebieten. Dringlich ersehnter Trost, Beistand, körperlicher Kontakt – all das muss zurücktreten hinter dem Gesundheitsschutz der Lebenden.
Die Corona-Krise hat uns Menschen auf uns selbst zurückgeworfen. Viele selbstverständliche Freiheiten, Möglichkeiten und Gewohnheiten müssen wir zum Wohle der Allgemeinheit einschränken. Diese veränderte Situation geht mit Unsicherheiten, Einsamkeit und Isolation einher. Herausfordernde Situationen werden noch herausfordernder, noch erschütternder in ihrer Unbegreifbarkeit.
Neue Wege zur Verbindung
Daneben birgt die Pandemie aber auch einen Hoffnungsschimmer: Wir erlangen die Möglichkeit, uns wieder auf das Wesentliche zu besinnen, zu uns zu kommen. Insbesondere nach einem schweren Verlust brauchen wir Zeit, um den Trauerprozess in unserem eigenen Tempo und auf unsere eigene Weise durchlaufen zu können. Das Wissen darum, dass viele Aktivitäten in der Außenwelt dabei gar nicht stattfinden, kann auch beruhigend wirken: Trauernde müssen sich nicht verpflichtet fühlen, gesellschaftlichen Konventionen Rechnung zu tragen, weiter wie üblich zu funktionieren und teilzunehmen am alltäglichen Trubel. Stattdessen dürfen sie sich um sich selbst kümmern. So schafft die Isolation, die viele Menschen erleben, auch eine eigene Form der Verbundenheit: Wenn sich alle Menschen in einer ähnlichen Lage befinden, sind Trauende damit nicht ganz so alleine.
Auch die digitale Infrastruktur hat sich infolge der Pandemie verbessert. Während wir umsichtig zuhause bleiben, können wir uns mithilfe technischer Möglichkeiten jederzeit verbinden und füreinander sorgen. Schließlich können insbesondere regelmäßige Gespräche mit anderen Menschen, die ebenfalls eine geliebte Person verloren haben, während der Trauerphase tröstlich und hilfreich sein.
In der Pandemie schaffen wir so einmal mehr kreative Wege, um nicht alleine sein zu müssen. In der Trauer – wie auch im Leben danach.